98. Kolumbien: Mompóx - Semana Santa / April 2019
Die Semana Santa (Karwoche) von Mompóx ist in ganz Kolumbien bekannt. Die ersten Freitagsprozessionen beginnen schon nach Aschermittwoch.
Das Programm der Feierlichkeiten kann auch als Fächer verwendet werden. Eine wirklich gute Idee bei der Hitze!
Am Morgen des Palmsonntags wedelten alle fröhlich mit ihren echten Palmwedeln zum Einzug Jesus in Jerusalem. Die Prozession hatte einen frohen Charakter und der gut gelaunte Bischof begrüßte Wolfgang am Morgen nach der Frage „Gringo, de donde (woher) ?“ mit „guten Abend“.
Am Rande der Prozession waren Straßenverkäufer eifrig und so mancher legte eine kurze Pause ein.
Am Montag wurde der „Paso“, das Tragegestell mit der Figur, für die erste feierliche Prozession der Karwoche überreichlich mit Blumen geschmückt. Die Blüten wurden extra aus Bogota eingeflogen. Wolfgang reichte der Anblick und sein Asthma lies ihn fluchtartig die Kirche verlassen.
Am Abend wurde der Christus aus der Kirche auf die Plaza getragen, wo die große Blaskapelle einen pompösen und langsamen Marsch anstimmte. Mehr oder weniger im Takt der Musik ging es einen Schritt nach rechts, einen nach links und nur sehr langsam voran.
Obwohl die Masse der Ostertouristen aus Bogotá und Medellin noch gar nicht angereist war, nahmen viele an der Prozession teil oder säumten die Gassen. Fast alle hatten brennende Kerzen, die leider ziemlich tropften.
Die Blaskapelle zog nicht mit und als wir außer Hörweite waren, ging es ohne Musik und Rechts-Links-Schwanken durch die Gassen bis zur Zielkirche.
Dort angekommen, wurden wir wieder mit Musik empfangen. Die Trägerinnen und Träger des Pasos machten einen etwas geschafften Eindruck- wir aber auch.
Am Dienstag Abend fand die nächste Prozession statt, diesmal mit einer Christusfigur (El Santo Ecce Homo) und einer Marienfigur (Virgen de las Angustias).
Vor Beginn der Prozession wurden noch schnell viele Fotos mit dem Handy gemacht.
Am Mittwoch fand keine Prozession statt. Am Abend waren alle auf dem Friedhof, zündeten Kerzen an und die Blaskapelle spielte einen Zapfenstreich.
Am Donnerstag füllte sich die Stadt zunehmend mit den angereisten kolumbianischen Touristen und den „Nazarenos“. Diese tragen die Pasos bei den Prozessionen.
Ihre Kleidung wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entworfen und ist voller Symbolik:
Die Tunika ist dunkelblau wie die Tunika von Jesus.
Die weiße Kordel wird 33 Mal um die Taille gewickelt, entsprechend dem Alter von Jesus.
Die 5 Bommel symbolisieren die 5 Wunden Christi.
Das weiße Tuch steht für das Leichentuch.
Von Gründonnerstag bis Karsamstag herrschte „Ley seca“, Gesetz der Trockenheit, also Verbot von Verkauf und Ausschank von Alkohol und war mit dem Verbot für laute Musik gekoppelt: Eine echte Wohltat.
An einer der Kirchen ermunterte ein großes Plakat zum Beichten.
Übersetzung:
Beichte!
Bist du hässlich und Sünder?
Wir helfen dir, dass du nur noch hässlich bist!
Am Abend des Gründonnerstages fand der erste Höhepunkt statt. Die Prozession der 14 (!) Pasos.
Die Prozession begann mit dem Kreuz von Mompóx.
Dann kamen eines nach dem anderen die folgenden 13 Pasos, auf denen verschiedene Episoden des Leidensweges Christi dargestellt waren. Die Figuren waren meist schlicht und nicht sehr ausgearbeitet, denn sie waren von einfachen Handwerkern aus Mompóx hergestellt und nicht von Künstlern gefertigt worden.
Die Musikkapelle (ca. 80 Instrumentalisten) kam ziemlich am Schluss und zog diesmal mit der Prozession mit. Gläubige folgten nicht, sondern drängten sich dicht an dicht auf dem Gehsteigen, um einen Blick auf das Spektakel werfen zu können.
Am Morgen des Karfreitags führte der Kreuzweg direkt an unserem Sunny vorbei: Unser Schattenplatz unter den Mangobäumen, neben dem Fußballfeld.
Zum Teil wurden die Stationen von lebenden Statuen nachgestellt. Der leidende Gesichtsausdruck dürfte den Darstellern in der glühenden Sonne nicht schwer gefallen sein.
Am Freitag Abend füllte sich die Kirche San Augustín, aus der die Bänke entfernt waren, zur Predigt der 7 Worte. 5 Priester hielten 7 Predigten über die letzen 7 Sätze, die Jesus gesprochen hatte. Die große Masse der Gläubigen (einschließlich der Priester, die gerade nicht predigten) machte dabei einen ebenso gelangweilten Eindruck wie wir. Bis auf die Predigt zu „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, bei der sich der Prediger ereiferte, meinte, diesen Satz könne Kolumbien auch sagen und dann über die Politik des aktuellen Präsidenten herzog, der gerade dabei ist, das mühsam ausgehandelte Friedensabkommen seines Vorgängers mit der FARC-Guerilla zu torpedieren.
Darauf warteten alle: Der Altarraum war mit einem großen Tuch verhängt und dahinter war Golgatha mit Jesus und den beiden anderen am Kreuz dargestellt.
Endlich öffnete sich der Vorhang.
Jesus wurde vom Kreuz genommen (an der linken Hand klemmte die Schraube etwas) und dann in das Grab gelegt.
Alle nahmen in diesem feierlichen Moment die moderne Gebetshaltung ein: „Handys gen Himmel!“
Dann wurde der Sarg von den Nazarenos geschultert und die Prozession begann, noch in aller Stille. Ein Schritt nach links, einer nach rechts und nur sehr langsam nach vorne, mit herabgezogenen Gesichtsmasken.
Das heilige Grab von Mompóx wurde 1880 in Paris gefertigt.
Draußen vor der Kirche warteten, schwarz gekleidet, mit brennenden Kerzen, die Frauen mit der Virgen de la Soledad.
Die Musik setzte pompös ein und der ganze Zug setzte sich sehr langsam in Bewegung, um dann Stunden bis zum Ziel zu brauchen.
Samstags gab es tagsüber nur eine kleinere Prozession durch die Gassen.
In der Nacht zum Sonntag dann die Prozession des wiederauferstandenen Christus. Die Nazarenos waren in Rot gekleidet.
Es war wie am Palmsonntag eine fröhliche Prozession:
Aus dem Lautsprecher tönte es: „¡Viva el Resuscitado!“ und alle antworteten „¡Que viva!“
¡Viva el Resuscitado! - ¡Que viva!
¡Un fuerte aplauso por es Resuscitado! - Klatsch-klatsch-klatsch!
Sehr viele nahmen allerdings nicht teil. Die meisten waren anderswo am feiern mit viel Alkohol und wieder erlaubter lauter Musik.
Am Montag Abend wurde in der letzten Prozession die Christusfigur der Prozession von einer Woche zuvor wieder in ihre ursprünglich Kirche zurückgetragen.