die meiste zeit des jahres ist tirana ein verschlafenes nest mit kaum 1000 einwohnern 60 km östlich von iquique in der nordchilenischen „pampa“, wie hier die wüstenebene genannt wird.
einmal im jahr, im juli füllt sich der ort jedoch mit fast 200 tanz- und musikgruppen und mehreren hundertausend „pilgern“ zum angeblich größten religiösen fest in chile, der „fiesta de la virgen del carmen de la tirana“. diese muttergottes wird auch als „königin von chile“ bezeichnet. um sie rankt sich eine alte legende.
für uns ungewohnt ist, dass tanz und verkleidungen religiösen charakter haben. hier haben sich andine vorkolumbianische traditionen mit dem katholizismus vermischt und die kirche war schlau genug, das alles zu integrieren. vieles sah für uns wie karneval aus, war es aber nicht. außerdem fehlte völlig ein charakteristisches element des faschings: der alkohol. tirana ist während der fiesta „zona seca“, trockene zone. ausschank und öffentlicher genuss von alkohol sind bei strafe von ca. 1500 euro verboten.
nachdem uns die polizei versichert hatte, dass die sicherheit bis auf taschendiebe kein problem sei, waren wir neugierig, obwohl wir sonst keine menschenmengen mögen. wir mieteten uns auf einem campingplatz ein und blieben die ganzen 10 tage der fiesta.
die pilger standen schlange, um einmal die virgen mit dem jesuskind zu berühren.
alle gruppen stellten sich zuerst am calvario mit tanz, musik und gesang vor und wurden gesegnet.
danach zogen sie mit pauken und trompeten, ihren virgen- und heiligenfiguren und fahnen zur kirche
dort stellten sie sich christus und der virgen von tirana vor
dann tanzten sie auf dem platz vor der kirche und in den gassen vor ihrer eigenen virgen und ihrer fahne. so füllte sich der platz und die gassen nach und nach. musik und tanz ging über die ganze nacht. nur am vormittag war etwas ruhe.
es gab verschiedene tänze. die mit dem langen röcken sind die „gitanos“, die zigeuner
eine sambo-gruppe
kleine gruppen hatten 10 tänzer, große über 100.
die musik bestand aus viel blech, trommeln und becken. oft standen sich blech und perkussion gegenüber und dazwischen wurde getanzt. da die verschiedenen kapellen oft direkt nebeneinander spielten, war es ein lautes akustisches durcheinander.
kurios für uns waren die „pieles rojos“, die „rothäute“, sahen sie doch aus wie indianer aus alten wildwestfilmen.
und tatsächlich, diese waren der ursprung der tänze. in den kinos der salpeterstädte (siehe voriger blog) wurden cowboy- und indianerfilme gezeigt, was zu dieser neuen religiösen (!) tanzform animierte.
auch das jesuskind wurde hier zum indianerfan
wir wollen euch nicht mit allen tänzen langweilen, aber besonders gut gefallen haben uns die diabladas, bei denen die kostüme und masken oft sehr aufwändig und die musik besonders rhythmisch war. nachts waren die masken und hüte mit leds beleuchtet.
bären waren bestandteil vieler tanzformationen
gelegentlich gab es neben vielen teufeln auch engel
auch die „indios tobas“ sind eine „societad catolica“, also eine religiöse katholische vereinigung und kein karnevalsverein.
neben den festen formationen gab es auch „diablos sueltos“, losgelassene teufel. diese suchten sich einen tanz, z.b. von „gitanos“, zigeunern und tanzten um diese gruppe herum.
sie waren neckisch, jedoch immer freundlich zu den zuschauern und besonders zu kindern und behinderten.
auch die teufel der diabladas mischten sich in ihrer „freizeit“ unter die wilden teufel. uns verwunderte, wo sie diese energie hernahmen.
angeblich waren es in diesem jahr mehr als 270.000 pilger!
neben dem religiösen fest war ein riesiger trödelmarkt aufgebaut, von kleidung, schuhen, devotionalien bis zu allem möglichen ramsch.
auch für das leibliche wohl war reichlich gesorgt.
höhepunkt waren die heiligen messen samstag nacht und sonntag vormittag. selbst wir empfanden je 2 stunden stehen kurzweilig. die uns bekannte liturgie wurde durch viel schwungvolle musik und gesang aufgelockert. zum schluss gab es laute „vivas“: ¡viva la virgen del carmen! ¡viva! ¡viva la iglesia (kirche)! ¡viva! ¡viva la reina (königin) de chile! ¡viva! und natürlich ¡viva chile! ¡viva!
die nächtliche messe wurde mit einem feuerwerk zu mitternacht beendet.
am sonntag wurde die virgen vom dach der kirche abgeseilt. die bänder stellten die verlängerung des umhangs marias dar und wurden unter einbeziehung aller kirchgänger über den platz gespannt.
mit großen gedränge und viel konfetti wurden maria und jesus am nachmittag bis zum späten abend durch die gassen getragen.
danach gingen die tänze noch 3 tage weiter und die gruppen verabschiedeten sich wieder in der kirche und am calvario.
für uns war es ein völlig neues, teils sehr ergreifendes erlebnis. die musik klingt uns immer noch in den ohren.
jetzt sind wir an der peruanischen grenze und wollen in den nächsten tagen nach lima fahren, wo uns nora und matze wieder besuchen kommen; diesmal um mit uns 4 wochen peru zu erkunden.
so keine sorge, der nächste blog wird kommen, aber nicht vor ende september.
¡hasta luego! und allen in europa einen schönen sommer!